So wie jede Geburt den Tod des Lebewesens in sich birgt, so hat auch jeder Aufstieg ein Ende. Nicht immer wird der Aufstieg auf einem Plateau enden, auf dem es sich gemütlich weilen läßt, häufiger wird nach dem Aufstieg der Fall kommen, der dann um so schmerzlicher ist, je höher man war!
Erfahrene Menschen sagen: 'Schau beim Aufstieg gelegentlich zurück und vergiß die Zurückgebliebenen nicht, du wirst sie beim Abstieg wieder treffen'. Viele Menschen können sich dies beim Hinweg nicht gut vorstellen, aber die meisten Karrieren haben ein Ende.
Das wahrscheinlichste Karriereende wird vom PETER-Prinzip beschrieben. 'Jeder wird solange befördert, bis er unfähig geworden ist, die neue Aufgabe zu erfüllen.' Aber nicht nur die neuen Aufgaben können Menschen überfordern, auch die mit dem Alter schwindende Leistungskraft wird der Karriere ein Ende setzen.
Global kann man sagen, dass ungefähr mit dem 35. Lebensjahr die körperliche Leistungsfähigkeit abnimmt. Mit Erfahrung und Routine wird man seine Gesamtleistungsfähigkeit über die 40 hinaus steigern können, aber dann ab 45 wird man vielleicht selbst merken, dass es nicht mehr so wie früher ist.
Zuerst läßt mit 40 die Sehkraft stark nach. Man wird eine Brille brauchen. In Firmen mit 'Jugendwahn' werden viele zögern, zur Brille zu greifen, weil sie alt macht. Der Preis ist, dass sie nicht mehr alles lesen werden, die Brillenfalle schnappt zu. Deshalb rate ich auf jeden Fall die schwindenden Sinne, soweit man kann, mit technischen Hilfsmitteln zu kompensieren. Dazu gehört, wenn man es braucht, auch das Hörgerät! Eitelkeit ist kein guter Berater, das Alter zu besiegen!
Einige haben Karriere unter dem Schutz eines Paten gemacht. Mit dessen Abgang, z.B. durch Pensionierung, ist dann auch die eigene Karriere schnell zu Ende. Ebenso wird jemand, der sich auf seinem Aufstieg nur Feinde gemacht hat, irgendwann merken, dass er zuviele Feinde hat und dadurch stürzen. Es ist also klug, die Anzahl der Feinde in einem Unternehmen so klein wie möglich zu halten. Denn irgendwann trifft man sie wieder und jeder von ihnen wird gerne einem die Bananenschale zum Ausrutschen auf den Weg legen.
Eine Hauptgefahr der Karrieren bis zur Spitze liegt in der Macht, die man errungen hat. Macht führt oft zu fehlendem Realitätsbezug, man bekommt nicht mehr die Wahrheit gesagt, besonders wenn diese unangenehm ist. Schnell sind die Mächtigen von falschen Beratern umgeben, die alles Unangenehme abschotten. Natürlich sind Fehlentscheidungen dann nicht auszuschließen und der Untergang ist vorprogrammiert.
Am ehesten kann man die Vorteile des Aufstiegs behalten, wenn man zum richtigen Zeitpunkt aussteigt oder wechselt. Dies ist eine hohe Kunst, die auch sonst kluge Menschen nicht immer beherrschen. Lediglich Sportler haben dies inzwischen durchschaut, sie hören gerne an der Spitze ihrer Leistung auf. Während Sportler messen können, dass ihre Leistung absinkt, glauben aber viele Manager und Politiker an eine unendliche Steigerung ihrer Fähigkeiten.
Für Fachleute kann eine Überspezialisierung zum Problem werden. Wenn dann etwas Neues kommt, sind die Spezialisten plötzlich unnötig. Wenn sie unfähig geworden sind, sich auf neue Gebiete zu stürzen, wird ihr Wert sehr gering werden und es droht Entlassung.
Ebenso kann Rationalisierung und technischer Fortschritt schnell Experten alt aussehen lassen. Ich denke da nur an die Umwälzungen in der Druckindustrie, die der Computer gebracht hat. Aber auch den Einfluß von E-Mail, das ganze Führungsebenen des Middle - Managements überflüssig gemacht hat.
Viele Karrieren scheitern durch die Globalisierung und durch das Unvermögen, mit ihr zu leben. Eine andere Falle öffnet sich, wenn Führungskräfte den Unterschied zwischen legal und legitim verwechseln. Nicht alles, was die Gesetze gestatten, d.h. legal ist, wird die vernetzte Gesellschaft heute auch akzeptieren, d.h. für legitim halten. Und keine Firma wird dauerhaft gegen die Gesellschaft, die sie z.B. als Konsument braucht, überleben können.
Manchmal will man eine Karriere, in die man hineingezwungen wurde und die man nur mit extremer Anstrengung weiterverfolgen kann, auch selbst beenden, aber es gibt keinen passenden Ausweg. Den findet man schnell, indem man bewußt und gut überlegt einen unkritischen Kapitalfehler baut. Plötzlich stehen einem dann alle Wege nach unten oder zur Seite offen. Das nennt man, die Reißleine ziehen. Es ist besser, einmal vorübergehend abzustürzen, als dauerhaft Schaden an Leib und Seele zu nehmen.
Von ganz anderer Seite droht der Karriere Gefahr, wenn die Familie keinen Nutzen mehr in der Karriere sieht, diese nur noch als Gefahr betrachtet und keine Unterstützung mehr leistet. Zum Beispiel, wenn Mobilität gefordert ist, aber die Familie nach 10 Umzügen plötzlich beim 11. mal nicht mehr mitziehen will. Wer also die Unterstützung der Familie haben will, muß sich darum kümmern, dass diese auch immer wieder den Nutzen der Karriere erkennt. Dies ist oft gar nicht leicht zu bewerkstelligen.
2013
Dr. Otto Buchegger Tübingen
Vielen Dank, jede Bestellung über Amazon unterstützt die Praxilogie