Mein Zeitmanagement beruht auf drei einfachen Grundprinzipien:
1. Alle Menschen haben gleich viel Zeit, denn für jeden hat der Tag 24 Stunden. Trotzdem ist die Einschätzung jedes Einzelnen, wieviel Zeit er hat, doch sehr verschieden, weil jeder die Zeit individuell verschieden nutzen wird oder kann.
2. Wer zu wenig Zeit hat, macht zu viel oder er macht das Falsche oder das Unwichtige. (Und wer zu viel Zeit hat, muß seinem Leben Sinn geben!)
3. Die einfachste Methode Zeit zu gewinnen, ist deshalb die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört auch, richtig (d.h. professionell = von den Beteiligten akzeptiert) NEIN zu sagen.
Zeitmanagement unterscheidet sich also nicht wesentlich vom Lebensmanagement. Wenn Zeitmanagement so einfach ist, warum kommen viele Menschen so leicht in Zeitstreß? Einer der Gründe ist die falsche Einschätzung der eigenen, notwendigen Leistungsfähigkeit.
Anhand des Beispiels der Reise vom Ort A nach Ort B, der 100 km entfernt ist, läßt sich die Entstehung von Zeitstreß leicht erklären. Fahre ich mit 100 km/h von A nach B dann werde ich dazu 1 h brauchen. Kann ich jetzt nur 54 min lang 90 km/h fahren, dann müßte ich in den restlichen 6 min 190 km/h fahren, um noch in einer Stunde am Ziel zu sein. Hier entsteht der Streß.
Zeit, die durch langsameres Fahren oder erzwungene Pausen verloren wurde, ist kaum noch einzuholen. Das heißt ohne Puffer wird mich schon die kleinste Verzögerung in Streß bringen.
Man kann deshalb auch nicht planen, genau pünktlich zu sein. Man kann immer nur planen, vorher da zu sein und einen Puffer zu haben, in dem man warten muß. Wer plant, pünktlich zu sein, wird im Normalfall zu spät kommen.
Muß man extrem pünktlich sein (wie zum Beispiel vor Gericht oder auch bei Bewerbungsgesprächen) wird man kräftige Puffer einplanen. Oder zum Beispiel schon am Vortag anreisen, um ganz sicher zum Termin da zu sein.
Im Falle 3 des Beispiels, mit einer Verzögerung am Anfang und am Ende, zum Beispiel, wenn man das Ziel noch suchen muß, muß man eine wesentlich höhere Reisegeschwindigkeit haben als man als Durchschnittsgeschwindigkeit annimmt. Im Beispiel sind es 150 km/h, um pünktlich zu sein. Das heißt die Leistungsfähigkeit muß hier um 50% höher sein, als man naiverweise annehmen würde.
Erfahrene Reisende verdoppeln deshalb für die Planung die minimale Reisezeit mit dem Auto oder planen eine Stunde Puffer bei Fahrten mit dem Zug ein. Ich habe bei neuen, noch unbekannten Zielen immer zusätzlich eine halbe Stunde Suchzeit eingeplant.
Zu den paradoxen Aktionen beim Stress gehört: Muß etwas sicher und fehlerfrei passieren, dann mußt du langsam arbeiten, damit du dich konzentrieren kannst!
Ein anderer Grund die Leistungsfähigkeit falsch einzuschätzen, ist der Wunsch etwas unbedingt zu bekommen oder zu tun. Hier wird dann alle Vernunft oder Erfahrung ausgeschaltet und man verpflichtet sich über seine Fähigkeiten hinaus!
So hat man in der Programmierung die Aufwand-Schätzungen von Menschen, die ein Produkt unbedingt machen wollten, mit dem Faktor 3 versehen, um sie realistischer werden zu lassen.
Eine andere Fehlerquelle bei Zeitschätzungen ist der Unterschied zwischen 'Arbeit an einem Stück' und der 'Vollendung in der Praxis, auch wenn ich gestört und unterbrochen werde'. Eine Erfahrungsregel sagt: Verdopple die reine Arbeitszeit und wähle die nächste, größere Zeiteinheit, dann erst ist es wirklich fertig!
Reine Arbeitszeit ist: | Es ist fertig in: |
1 Stunde | 2 Tagen |
2 Wochen | 4 Monaten |
1 Monat | 2 Jahre |
Die sicherste Art seine Leistungsfähigkeit nicht zu überschätzen, wäre auf die Daten der Leistung in der Vergangenheit zu vertrauen. Dazu muß man allerdings diese Daten auch aufgeschrieben haben. Denn gerne werden die vergangenen Schwierigkeiten und Versäumnisse vergessen und verdrängt. Auch hier gilt das chinesische Sprichwort: Die schwächste Tinte ist sicherer als das beste Gedächtnis!
Angenehme oder aktive Zeiten vergehen wie im Nu, schlimme und passive Zeiten dauern eine Ewigkeit. übrigens, Zeit mißt Zuneigung. Die Zeit, die man freiwillig mit jemandem verbringt, sagt viel darüber aus, wie sehr man diesen mag. Wer also nie Zeit für dich hat, der mag dich auch nicht!
Ich erinnere mich auch an Berufstätige, die immer heuchelten, keine Zeit zu haben. Denn wer Zeit hatte, galt als unwichtig. So sind viele Manager absichtlich zu spät zu Meetings gekommen, denn wer pünktlich kam, hatte offenbar zu wenig zu tun!
Zum Schluß noch ein ganz trivialer Hinweis: Wer keine Uhr trägt, aber viele Verpflichtungen hat, soll sich nicht wundern, wenn er als unzuverlässig eingeschätzt wird! Jeder, der sich mit anderen Menschen verabreden, d.h. synchronisieren muß oder der seine Zeit verkauft, wird eine präzise Uhr brauchen.
Wie bei anderen kritischen Eigenschaften wird auch die eigene Pünktlichkeit gerne überschätzt. Befragt doch einmal euer nahes Umfeld, ob ihr wirklich pünktlich oder doch eher unpünktlich seid!
2013
Dr. Otto Buchegger Tübingen
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